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als Fixpunkt des lebens, die vereins- und alltagsgeschichte
verbinden. und es ist die Kraft ihres Spiels, die dem Stück
seine eigentümliche Wucht verleiht. „Wirkliche Fans spielen
also Theater. mit anderen Worten: das muss schiefgehen. Tut
es aber nicht“, schreibt Theaterkritiker cornelius pollmer in
der Süddeutschen zeitung überrascht.
mehrfach wiederauferstanden, gerät der club zuletzt ausge-
rechnet durch einige seiner treuen anhänger in die Schlag-
zeilen. Spielabbrüche, geldstrafen und der ausschluss aus
dem dFb-pokal folgen. veit pätzug, autor der Fan-Trilogie
„Schwarzer hals, gelbe zähne“, analysiert die Seele des
dresdner anhängers so: „bis heute existiert bei vielen Fans
das gefühl, etwas besseres zu sein und etwas besseres
verdient zu haben.“ gleichzeitig sei das dresdner publikum
„aber auch extrem solidarisch mit seiner radikalen minder-
heit. das ist in meinen augen eine parallele zur Stadt und
zu ganz Sachsen.“
und weil Fußball das leben ist, verbirgt die inszenierung
diese hässliche Fratze der mit viel empathie gezeichneten
Fanszene nicht. darin waren sich die Theaterleute im vor-
feld schnell einig mit dem verein. „Wir wollen vor allem,
dass alles authentisch ist. die geschichten sollen echt sein,
selbst wenn uns im einzelfall mal nicht gefällt, was berichtet
wird“, erklärt dynamo-geschäftsführer robert Schäfer vor
der premiere in der dresdner morgenpost.
und so ist alles da: die pöbeleien der 90er-Jahre gegen yebo-
ah und co., die gewalttätigen ost-derbies in erfurt, aue und
anderswo, und die aktuellen probleme. in einer gespensti-
schen Szene wird aus den eben noch leidenschaftlichen „dy-
naaamo, dynaaamo!“ skandierenden Fans ein grölender mob.
„blut! blut!“ und „berlin, Juden berlin!“ heißen die parolen
und schon bald schleudert die gruppe als pegida-marschierer
dem rest des landes ihre menschenverachtenden montags-
parolen entgegen: „Wir sind es, die das abendland vertei-
digen. Wir schützen die heimat vor der islamisierung!“ ein
zerrspiegel tief verwurzelter ängste und verletzungen einer
sich als historisches opfer empfindenden generation: „Wir
sind das letzte pack! der asoziale rest. Sie haben euch ein
bild gemacht von uns. Wir sind das, was ihr uns zuschreibt.“
die Totenstille des publikums wird erst aufgebrochen, als
ein junger hooligan die Szene mit dem zertrümmern eines
Scheinwerfers beendet. aber noch später, nach minuten-
langen ovationen des publikums, wenn man das „Kleine
haus“ verlassen hat, vorbei an der zettelübersäten pinn-
wand, und in der dunkelheit die benachbarten gründer-
zeitvillen passiert, spürt man diese bilder im Kopf weiter-
arbeiten. und das ist wahrscheinlich das beste, was man
über ein Theaterstück sagen kann.
Wirkliche Fans spielen
also Theater.
Mit anderen Worten:
Das muss schiefgehen.
Tut es aber nicht.
cornelius pollmer, Süddeutsche zeitung