

FuSSBall
kultur
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einem projekt mit dem neben der Frauenkirche wohl wich-
tigsten Stadtheiligtum beschäftigen würden: dem Sg dyna-
mo dresden. beide institutionen wirken identitätsstiftend
für diese Stadt und ihre bewohner“, so brückel. und mehr
noch: „nach unserem verständnis lassen sich der Sport und
gesellschaftspolitische entwicklungen nicht getrennt von-
einander betrachten. ein beispiel dafür ist der sportliche
niedergang des vereins in den neunziger Jahren, der mit
der Wende einherging, oder die radikalisierung bestimmter
Fangruppen, die in eine zeit fällt, da auch im alltäglichen
zusammenleben der Ton rauer wird.“
Wer zur aufführung ins „Kleine haus“ am dresdner Staats-
schauspiel in der glacisstraße kommt, findet wahrlich kei-
nen elfenbeinturm der klassischen Kunst, sondern jede men-
ge echtes leben. ein bunter Querschnitt aller altersgruppen,
zum Sakko trägt man Fanschals oder Trikot. eine pinnwand
steht da, voll mit zetteln. Flüchtlinge suchen alltägliches:
ein Fahrrad, ein Wg-zimmer, Sprachunterricht, jemand,
der ihnen ein Telefon reparieren kann, oder schlicht einen
menschen zum reden. „refugees are welcome here!“ steht
daneben.
im Theaterraum ist kaum zu unterscheiden, wo das publi-
kum und wo die Schauspieler agieren. das bühnenbild, eine
gelb-schwarze Stadiontribüne, spiegelt die ränge des zu-
schauerraums. die illusion ist perfekt, als beide Tribünen, zu-
schauer und Schauspieler, wie zwei Fankurven abwechselnd
Sprechchöre intonieren. man kennt sich aus dem Stadion.
regisseur Jan gehler suchte und fand seine Schauspieler
über Flyer und Flugblätter direkt im K-block. auch das dreh-
buch von Thomas Freyer entstand unmittelbar in Workshops
mit den laienschauspielern. das schafft authentizität. der
Text entfaltet nicht nur die höhe- und Tiefpunkte der ver-
einschronik, auch die großen gesellschaftlichen Themen, die
Fußball und Theater verbindet: Freundschaft und rivalität,
identifikation und zugehörigkeit, bedingungslose liebe und
enttäuschte hoffnungen.
und die sind in dresden gefühlt noch extremer als in ande-
ren Städten. Seine größte zeit feiert der 1953 gegründete
verein in den 70er-Jahren, als Trainer Walter Fritzsch mit
sauberem Kombinationsfußball dem „Stasiclub“ bFc berlin
fünf meistertitel abtrotzt und der „dresdner Kreisel“ um
dörner, häfner, Kreische und co. im europapokal brilliert.
nach der Wende bluten verein und Stadt gemeinsam aus.
die ikonen Kirsten und Sammer wandern in den Westen
ab, misswirtschaft und Korruption westdeutscher manager
führen den club fast in den abgrund. aber nur fast. die lie-
be der Fans ist einfach zu groß. es sind ihre kleinen nach-
wendegeschichten von liebe und heirat, arbeitslosigkeit,
umschulung, Krankheiten und immer wieder ihrem club
Wir wollen vor allem, dass alles authentisch ist.
Die Geschichten sollen echt sein, selbst wenn uns im
Einzelfall mal nicht gefällt, was berichtet wird.
robert Schäfer, geschäftsführer dynamo dresden