

Die gesellschaftspolitische Dimension des Fußballs wurde
schon mit vielen Metaphern beschrieben. Als Spiegel oder
Brennglas gesellschaftlicher Verhältnisse, als Projektionsflä-
che oder Instrument politischer Zwecke. Wahlweise als Ab-
lenkung vom oder Schule fürs Leben. Als völkerverbindendes
Friedensinstrument ebenso wie als „Ersatzkrieg“ für regiona-
le und nationale Konflikte.
Nur eines ist der Fußball nie gewesen, seit er sich Mitte
des 19. Jahrhunderts vom Privatvergnügen der englischen
Oberschicht zum weltweit populärsten Sport-, Massen- und
Medienereignis zu entwickeln begann: unpolitisch.
Einhergehend mit immer höheren Einschaltquoten, Gehäl-
tern und Transfersummen hat auch die öffentliche Wahr-
nehmung und Bedeutungszuschreibung des „Kulturphäno-
mens“ Fußball eine noch vor 20 Jahren kaum vorstellbare
Dimension erreicht. Themen, die in vielen unserer Eigen-
und Förderprojekte im letzten Jahr eine Rolle spielten.
Zum Beispiel bei der Eröffnung der klug kuratierten Aus-
stellung „Fußball Halleluja!“ im Bremer Focke-Museum
(ab S. 14), als die Gäste um UN-Sonderberater Willi Lemke
die provokante Frage diskutierten, ob der Fußball heute
eine Religion ist. Was weit hergeholt klingt, war ernsthaftes
Thema mehrerer wissenschaftlicher Tagungen und Ausstel-
lungen. Auch das Theater setzt immer neue historische,
soziale oder psychologische Deutungen des Fußballs. Zum
Beispiel die Bürgerbühne am Staatsschauspiel Dresden, wie
unser Bericht über das von und mit Fans inszenierte Stück
„DYNAAAMO!“ (ab S. 10) zeigt. Dramaturg David Benjamin
Brückel versteht die SG Dynamo Dresden, das „neben der
Frauenkirche wohl wichtigste Stadtheiligtum“, als identi-
tätsstiftend für Stadt und Bewohner, und das Stück als eine
Parabel auf die historische Nachwendezeit. Auch die Rolle,
die Teile der Fans bei den sogenannten „Montags-Demos“
spielen, wird nicht verschwiegen. Das Stück zeigt den Fuß-
ball und seine Akteure nicht jenseits der gesellschaftlichen
Realität, sondern mittendrin. Und manchmal, siehe HoGeSA,
auch im gesellschaftlichen Abseits.
Apropos: Projekte zur Vermittlung historischer Lehren aus
der NS-Zeit gehören seit Beginn zu unserem Stiftungspro-
gramm. Als sich letzten Sommer tausende jüdische Sportler
aus ganz Europa bei den „European Maccabi Games“ auf
dem Gelände der Olympischen Spiele 1936 in Berlin tra-
fen, erinnerte die von der Stiftung initiierte Ausstellung
vorwort